Wenn Märchen wahr werden
Der WDR und wir
Nachdem in der Zeitschrift "Brigitte" am 8. Dezember 2004 ein sehr netter Artikel über unsere Aschenbrödel-Party erschienen war, rannten mir die Reporter die Bude ein. Alle wollten bei der Party 2005 dabei sein, waren selber sooo große Fans und fanden das alles ganz, ganz toll, was wir so machen.
Auch der WDR nahm Kontakt auf. Man wollte uns sogar filmen. Ich fand prinzipiell Dreharbeiten auf unserer Party nicht so gut, habe aber vom WDR eine einigermaßen hohe Meinung und wollte nicht gleich absagen. Der WDR kam dann auch und filmte auf der Party - puh, das war stressig.
Und was haben sie mir vorher nicht alles versprochen: Man wollte eine Dokumentation machen, dazu auch an die Original--Schauplätze fahren, Hoppe, Vorlíček und Šafránková interviewen und natürlich uns usw., usw.. Ja klar, dachte ich, ihr wollt mich doch nur bequatschen. Aber was will man machen, filmen durften sie natürlich.
Der Frühling kam, die Aschenbrödel-Saison war vorbei, der Sommer war auch schön und kein Ton vom WDR. Der Herbst brach an und meiner bescheidenen Meinung nach wurde es langsam knapp für eine Dokumentation, die an Weihnachten ausgestrahlt werden sollte. Außerdem kann ich mir beruflich für sowas läppisches wie eine Sendung über mein Lieblingshobby nicht einfach frei nehmen. Mein letzter Urlaub vor den Weihnachtstagen war im Oktober. Das wusste der WDR und insgeheim hatte ich gehofft, dass man dann drehen konnte.
Mein Urlaub brach an - keine Nachricht vom WDR.
War ja klar. Libuše interviewen - haha. Die Dame, die bekanntermaßen keine Interviews gibt. An die Originalschauplätze fahren - genau. Viel zu teuer. Uns zu Hause filmen - Spitzen-Idee. Normaler als wir zu sein geht kaum. Also finden wir uns mit dem Gedanken ab: Es wird eine kurze Billig-Produktion ohne viel Neues, vielleicht mit ein paar Szenen aus dem Film, die von irgendwem gelobt werden, Interviews mit WDR-Leuten und ein paar Bildern von der Party - nichts weltbewegendes. Erfahren werden wir das alles dann aus der Fernsehzeitung.
Ja, ich bin immer so negativ. Man kann sich daher meine Überraschung vorstellen, als der WDR in Gestalt eines Herrn Thomas Förster Anfang Oktober bei uns anrief. Was ja noch nichts heißen musste. Doch je länger Herr Förster sprach, desto dringender wollte ich mich setzen: Man wolle nun an der Dokumenation weiterarbeiten. Dazu werde man nach Prag und Barrandov fahren, Leute, die bei den Dreharbeiten dabei waren interviewen und auch in den Fundus gehen. Mit mir würde man gern in Švihov drehen und zwar an einem Wochenende im November, ob das ginge?
KREISCH!
In den nächsten Tagen wurden die Details festgelegt, ich musste unsere Urlaubsfotos aus dem Osten nach Köln mailen und mir wurde klar: Das wird ein Hammer. Der WDR stieg von einem der guten zum vermutlich besten Sender auf und ich leistete stumme Abbitte: Nein, der WDR würde keine Billig-Produktion machen, er würde es sich auch nicht einfach machen.
Auf der Liste standen:
Die Party, man habe starke Bilder erhalten.
Der Fundus mit dem Aschenbrödel-auf-dem-Ball von der letzten Party - ob ich den Kontakt herstellen könne.
Moritzburg von außen, da ja innen nichts gedreht worden sei.
Ein Interview mit Herrn Hoppe, dessen Agentur schon Interesse geäußert habe, am besten in Moritzburg.
Ein Gespräch mit Vorlíček und falls möglich auch mit Libuše.
Und mein Freund und ich, nachstellend, wie wir in Švihov den Hof der Stiefmutter gefunden haben.
Ob wir den goldenen Schuh mitbringen könnten, der vor der Tür zur Party gelegen hatte.
Die Kollegen in Tschechien hätten schon Kontakt zum Leiter der Burg aufgenommen und sogar jemanden aufgetrieben, der damals bei den Dreharbeiten dabei war. Der Termin stand auch fest: am Samstag, 5. November wollte man mit uns in Švihov drehen, am Sonntag dann in Prag, Montags das Interview mit Vorliček und am 11., 12, oder 13. November in Moritzburg. Inzwischen hatte ich auch geschnallt, dass der nette Mensch, mit dem ich nun mehrfach telefonierte und mailte einer der beiden Autoren dieser Dokumentation war. Der andere Autor war Frau Jansen, die die Dreharbeiten auf der Party geleitet hatte.
Wie schon öfter, seit ich dieses Hobby betreibe, bedeckte in den kommenden Tagen ein Dauergrinsen mein Gesicht. Wir fuhren nach Švihov! An einem Wochenende!! Auf Kosten des WDR! Besser ging's nicht. Ob der WDR auch all die anderen Dinge hinbekommen würde, die geplant waren, würden wir mal abwarten. Fakt aber war, dass man sich offenbar viel Mühe mit diesem Projekt gab und bereitwillig einiges an Arbeit und Geld hineinsteckte. Uns sagte man zwar, dass wir kein Honorar, nur Benzingeld, Kost und Logis bekommen würden, aber das war uns natürlich völlig egal - ich wäre sowieso auch auf eigene Kosten hingefahren.
Nur vor einem hatte ich Angst: Wir sollten in Švihov nachstellen, wie uns vor ein paar Jahren klar geworden war, dass die Wasserburg doch der Hof der Stiefmutter ist. Ich musste Herrn Förster sogar die Screenshots schicken, die wir damals dabei gehabt hatten. Sollten wir Laiendarsteller das Ganze etwa schauspielen? So tun, als wären wir noch nie da gewesen?? Das würde gnadenlos schlecht werden! Hoffentlich bekamen wir noch genauere Anweisungen.
Da wir Samstags vor die Kamera treten sollten, mussten wir Freitag nach der Arbeit losfahren. Nach 670 km mangels Autobahnen teilweise über Land kamen wir gegen halb zwölf (nachts) in der Kreisstadt Klatovy an, wo uns unser geräumiges Hotelzimmer schon erwartete und die vier Menschen vom WDR noch in der Gaststube saßen. Nachdem die Eckdaten für den kommenden Tag geklärt waren, gingen der Tontechniker und der Kameramann sowie Frau Jansen dann auch bald ins Bett. Nur Herr Förster blieb übrig und quatschte noch mit uns. Er erzählte, dass sie schon am nächsten Tag mit Herrn Vorlíček in Prag verabredet waren. Sie hätten es auch bei Frau Šafránková versucht, wären aber immer wieder gescheitert. Es sei schwierig gewesen, überhaupt einen Kontakt herzustellen, dann habe Frau Šafránková sie immer wieder vertröstet, sie drehe gerade, sie sei im Ausland, und die letzte Nachricht von den Kollegen aus Prag von gestern Mittag besagte, sie sei nun krank. Wir fanden es total klasse, dass der WDR sich diese Mühe gemacht und es so hartnäckig versucht hatte. Immerhin ist Frau Šafránková ja als absolut pressescheu bekannt und hat seit ihren von einem Schmierenblatt erlogenen Alkohol- und Eheproblemen wenig oder gar keine Interviews gegeben.
Am nächsten Tag war das Wetter nicht so berauschend, es nieselte und war kalt. Auf der Burg sollten wir einen Einheimischen treffen, der bei den Dreharbeiten dabei gewesen war, in welcher Funktion wussten wir aber nicht. Es hieß, er habe für die Schauspieler und die Crew gekocht. Wir nahmen an, dass es sich um eine Art Caterer handelte und machten uns Notizen, was wir ihn fragen wollten.
Nach dem Frühtsück packte das Fernsehteam seine Sachen in den WDR-Dienstwagen und zog los und wir fuhren in unserem Brödelmobil hinterher die 10 km bis nach Švihov. Was erwartete uns? Herr Förster hatte uns keine Anweisungen gegeben, ja er hatte sich sogar geweigert, seine Vorstellungen konkret zu benennen. Ebenso wollte er von uns keine Einzelheiten über unseren Trip von 2002 wissen. Nun, wir waren hier, bewaffnet mit zwei Digitalkameras, und freuten uns schon jetzt, egal, was der WDR mit uns vorhatte.
Es musste erst mal die ganze Technik in Schwung gebracht werden. Wir bekamen auf sehr höfliche und vorsichtige Art Mikrofone angesteckt und Frau Jansen zog mit dem goldenen Schuh los, um eine geeignete Position für ihn zu finden. Herr Förster leitete diesmal die Aufnahmen.
Der vom WDR bestellte Übersetzter war schon vor Ort und ging nach kurzer Besprechung mit Herrn Förster zum Burgherrn um sich das Tor der Burg aufschließen zu lassen. Während das Fernsehteam arbeitete standen wir daneben und waren einfach nur glücklich. Wir hatten gar nicht mehr damit gerechnet, dieses Jahr noch nach Tschechien zu kommen und nun das.
Als Einstieg sollten wir nun erst ein paarmal auf die Burg zugehen und uns unterhalten. Ach du Schande, unterhalten? Worüber denn? Och, irgendwas über die Burg vielleicht, dass wir uns freuten da zu sein oder so. Ich schluckte. Daran, dass ich nun im Fernsehen belanglosen small-talk vortäuschen sollte, hatte ich nicht gedacht. Entsprechend bescheuert kam ich mir vor, als ich so elementare Sätze sagte, wie "ja, nun sind wir wieder hier - schön". Zum Glück mussten wir das nur zweimal machen, mir fiel auch wirklich nichts mehr ein.
Es begann immer stärker zu regnen und nun wurde Herr Förster kreativ. Sven musste unsere Fotomappe zeigen und ich wartete mühsam seriös schauend ab, was auf mich zukam. Die arme Frau Jansen wurde derweil vom Übersetzer in ein längeres Gespräch verwickelt und ging, um die anderen nicht zu stören, mit diesem netten Herrn erst mal ein Ründchen um die Burg. Sie tat mir jetzt schon Leid, da sie sicher auch Ideen hatte und gern etwas noch sinnvolleres getan hätte, aber beide Autoren hielten sich strikt an die Trennung "ihrer" Tage.
Während wir darauf warteten, dass der Regen nachließ, posierten der Kameramann und der Tontechniker bereitwillig mit uns für ein Foto vor der Burg. Der Kameramann versuchte, den großen Turm einzufangen. Jetzt sollten wir mal vormachen, wie das damals abgelaufen war in unserem Urlaub. Kamera und Ton liefen und zu meiner großen Erleichterung stellte Herr Förster die Frage, wie es gewesen sei, als wir den Burghof betreten hatten. So mussten wir nun gottseidank nicht so tun, als wären wir zum ersten mal hier, sondern konnten erzählen, wie wir es vor drei Jahren empfunden hatten. DEN Text mussten wir uns nicht ausdenken. Herr Förster fragte auch nach den Screenshots und wir brabbelten fröhlich drauflos. Herrlich.
Die Filmcrew war supernett und lobte uns alle naselang. Wenn sie uns nicht lobten, dann machten sie ganz behutsam formulierte Bemerkungen um uns möglichst sanft in die Richtung zu bugsieren, wo sie uns hinhaben wollten. Wir fanden das lustig und sehr lieb und hätten auch auf Kommando Männchen gemacht, aber Kommandos gab es nicht. Später haben wir vermutet, dass die häufige Arbeit mit Leuten von der Straße, engagierten Vereinsmitgliedern und von ihrer Sache überzeugten Normalverbrauchern zu enormem Einfühlungsvermögen und großer Sensibilität bei den WDR-Mitarbeitern führt. Sehr angenehm.
Im Innenhof waren wir scheinbar jetzt fertig, denn nun wollte Herr Förster uns filmen, wie wir außen um die Mauer herum gehen. Da sich die Burg hinter der roten Ziegelmauer und duch die kahlen Äste eines Baumes von ihrer romantischsten Seite zeigte, wurde auch das noch schnell gefilmt. Hinter der Burg drehte man, wie Sven den Persektiventrick mit dem falschen Tor aufgedeckt hatte.
Und dann sahen sich die Herren erst mal das Material auf der Kamera an. Man soll es kaum glauben, aber es war schon Mittag. Ich hatte Hunger und die vage Hoffnung, dass man irgendwann in der kleinen Kneipe einzukehren gedachte, vor der unsere Autos parkten. Doch ich musste feststellen, dass sowas wie Essenspausen im Dokumentarfilmerbusiness nicht existieren. Zum Glück hatten wir noch eine Banane im Wagen.
Die drei Herren schienen zufrieden mit ihrer Arbeit zu sein und nun ging es wieder zurück vor die Burg. Wir hatten den goldenen Schuh mitgebracht, der sonst nur einmal im Jahr an die frische Luft kommt, nämlich wenn er bei der Aschenbrödel-Party vor der Tür liegt. Bilder dieses Schuhs sollten sich wie ein geheimnisvoller roter Faden durch die ganze Dokumentation ziehen. Natürlich sollte er auch vor Svihov zum Einsatz kommen, nur wo? Der Zugang zur Burg ist recht unromantisch, aber Frau Jansen versuchte das beste daraus zu machen und den Schuh für die Kamera nett zu platzieren.
Ich war nun schon ziemlich durchgefroren und verfluchte mein dünnes Mäntelchen. Hätte ich doch den Fellmantel angezogen, aber Sven war der Meinung, darin sähe ich aus wie eine Glocke. Tja, wer schön sein will muss Zwang leiden, um mal unpassenderweise mit Hans-Christian Andersen zu sprechen.
Das Team hatte in Kälte und Nieselregen nun schon 10 Minuten mit dem Abfilmen des Schuhs zugebracht und war immer noch nicht zufrieden. Man wollte es damit noch mal innerhalb der der Burg versuchen. Der Tontechniker, Frau Jansen und wir stellten uns schließlich im mächtigen Burgtor unter, während Herr Förster und der Kameramann unverdrossen eine um die andere Postion von Kamera und Schuh ausprobierten.
Dann waren wir wieder dran. Wir sollten nun unsere zweite Entdeckung erklären, also die Tatsache, dass Holztreppe und Balkon des stiefmütterlichen Gutes an die leeren Fensterhöhlen der Ruinenmauer angebaut worden waren. Wir bekamen gezeigt, wo wir herlaufen und stehenbleiben sollten. Herr Förster stellte wieder schön einfache Fragen und so waren diese Aufnahmen schnell im Kasten. So wie sie später geschnitten wurden, denken vermutlich alle, die Nägel in der Mauer wären ganz sicher und auf jeden Fall von den damaligen Kulissen - hihi.
Während wir noch beschäftigt waren, kam ein älterer Herr auf den Burghof, es musste sich um den Zeitzeugen handeln, von dem im Vorfeld die Rede gewesen war. Er hieß Veselý, was, wie er uns sofort in gebrochenem Deutsch mitteilte, "Herr Lustig" bedeutete. Herr Veselý war sehr freundlich und hilfsbereit und wir waren schon sehr gespannt, was er zu erzählen hatte. Leider stellte ich fest, dass ich den Zettel mit den Fragen in unserem Hotelzimmer liegen gelassen hatte. Typisch.
Der Übersetzer machte mit Herrn Veselý small-talk, während der Kameramann den Akku wechseln musste und alle vier WDR-Menschen überlegten, wie man nun weiter vorgehen wollte. Der Dreh mit Herrn Veselý sollte in dem Gasthof "Restaurace U Hradu" stattfinden.
Nach und nach wurde uns klar, dass Herr Veselý kein caternder Koch gewesen war, sondern 1973/74 in dem Restaurant gearbeitet hatte als die gesamte Filmcrew und auch die Darsteller während der Dreharbeiten auf Burg Švihov dort gegessen hatten. Damit erübrigten sich 70 % der Fragen, die wir uns ausgedacht hatten und nun bekam ich wirklich Angst. Die restlichen 30 % begann ich auch schon zu vergessen und ich war heilfroh, dass Sven dabei war, der bei sowas immer völlig ruhig bleibt und dem spontan schlaue Dinge einfallen.
Doch die erste Hürde war nicht unsere Fragestunde mit Herrn Veselý sondern der dringende Wunsch des Doku-Teams, uns drei bei der Begrüßung und beim gemeinsamen Betreten des Restaurants zu filmen. Der Übersetzter erklärte Herrn Veselý, der seinen alten Wagen schon vor den Stufen des Gasthofes geparkt hatte, was sich die Filmleute vorstellen. Er sollte aussteigen, wir sollten auf ihn zugehen, man sollte sich begrüßen (Sprache egal) und dann sollte man gemeinsam in die Kneipe gehen. Alles klar. Nur, dass Herr Veselý auf keinen Fall sein Auto unabgeschlossen auf dem menschenleeren kalten Dorfplatz stehen lassen wollte und dermaßen lieb und freundlich und hilfsbereit war, dass er auch dem Kamerateam die Tür aufhielt. Im Restaurace U Hradu war er natürlich bekannt und wurde herzlich begrüßt und so dauerte es ein bisschen, bis der WDR hatte, was er wollte.
Im Gasthof selber musste natürlich erst mal für eine Drehgenehmigung gesorgt werden. Das war mir gar nicht so unrecht, denn dort stand ein glühend heißer Bollerofen von dem ich mich am liebsten nicht mehr wegbewegt hätte. Wir quatschten ein bisschen mit dem Übersetzer und Herrn Veselý und wussten bald das tschechische Wort für "warm" (hab ich allerdings schon wieder vergessen) und dass Frau Šafránková zum Essen immer gleich neben dem Ofen an einem Tisch gesessen hatte. Außerdem war Herr Veselý begeistert von unseren Dreharbeiten und betonte, wie gut und wichtig es für den Ort Švihov sei, etwas Publicity zu bekommen und wie sehr er sich auch für den Heimatverein, in dem er tätig sei, darüber freue.
In dem für die Kamera recht düsteren Raum suchte der Kameramann eine Position zum Filmen. Wir bekamen in der Zeit erklärt, wie sich Herr Förster das "Interview" mit Herrn Veselý vorstellte: Sven und ich sollten eine Frage stellen (welche wurde uns völlig freigestellt), die dann für Herrn Veselý übersetzt wurde. Dann mussten wir die Frage nochmal stellen und DANN durfte Herr Veselý antworten. Man wollte also unsere Frage und Herrn Veselýs Antwort in einem Rutsch filmen. Oha. Erstens wollte natürlich Herr Veselý am liebsten immer gleich sofort antworten, wenn er die Frage verstanden hatte und gab sich sichtlich Mühe, das nicht zu tun.
Und zweitens kamen meine Fragen völlig konfus formuliert heraus und jedesmal, wenn ich sie wiederholen sollte, musste ich scharf nachdenken, um alles wieder zusammenzukriegen ohne ins Stocken zu geraten. Das war wirklich schlimm. Ich war total nervös und ideenleer und nach vier oder fünf halbwegs intelligenten Fragen fielen mir keine weiteren ein, aber der WDR wollte mehr. Sven rettete mich mehrere male, indem er irgendwas passendes fragte. Dabei habe ich vergessen zu fragen, ob die Brathähnchen, die Dora unter die Nase gehalten werden, auch aus dem Restaurace U Hradu stammten.
Für Frau Jansen war diese Zeit auch nicht besonders angenehm, denn da sie sich aus dem Dreh heraushalten wollte, hatte sie sich ein Stück entfernt von uns in die Gaststube gesetzt und wurde sofort Opfer alkoholgeschwängerter Flirtversuche. Schließlich war aber auch das überstanden und gegen zwei Uhr nachmittags waren wir fertig mit dem Teil, der uns betraf. Wir setzten uns noch ein habes Stündchen gemütlich zusammen um festzustellen, dass es in dem Gasthof samstagsnachmittags kein Essen gab. Nun kamen die interessanten Fakten über Herrn Veselý zutage: in den 1960er Jahren war er mal Bürgermeister von Švihov gewesen. Nach 1968 aber waren er und seine Frau dem Regime unbequem und er wurde seines Postens enthoben. Ihren Lebensunterhalt hatten sich die beiden anschließend als Koch und Servicekraft im Restaurace U Hradu verdienen müssen. So kam es, dass der engagierte und freundliche Herr Veselý Zeitzeuge der Dreharbeiten zu 3hfa geworden war. Es war sehr nett, sich mit Hilfe des Übersetzers mit Herrn Veselý zu unterhalten, der uns einlud, Švihov und ihn doch noch einmal zu besuchen. Einmal im Jahr fände in seinem Heimatort ein Festival statt, zu dem er uns herzlich einlade.
Wir mussten den schönen warmen Gasthof wieder verlassen, der Magen hing uns auf den Knien und wir wussten: unsere Zusammenarbeit mit dem WDR nähert sich dem Ende. Der Kameramann sollte uns nur noch eben bei der Anfahrt zur Burg drehen. Wir putzten also die schnell beschlagenden Scheiben unseres Corsa und drehten ein Ründchen. Dabei mussten wir wieder irgendwas erzählen. Unsere am Rückspiegel baumelnden Haselnüsse, die ich überfallartig noch zwei Tage zuvor aus Stoffresten zusammengehauen hatte, faszinierten besonders (ich liebe es, wenn ein Plan funktioniert) und der Kameramann kletterte hochzufrieden hinter dem Fahrersitz hervor.
Frau Jansen, die sich den ganzen Tag nicht nur aus den Dreharbeiten herausgehalten hatte, sondern auch noch stundenlang mit dem Übersetzer gesprochen und als Höhepunkt ihres Tages die Anmache der Einheimische hatte abwehren müssen, hatte nun den Kaffee auf. Einmal wenigstens wollte sie heute etwas für die geplante Doku tun und so schnappte sie sich den goldenen Schuh und den Kameramann und lief damit Richtung Ortsausgang. Dort gibt es eine Stelle, von der aus man den gesamten Komplex der Wasserburg schön in der Landschaft liegen sehen kann und da wollte sie nun den Schuh filmen. Eine gute Idee, wie man in der fertigen Doku sehen kann.
Jetzt war es wirklich vorbei. Die Filmleute würden jetzt sofort nach Prag fahren um morgen Herrn Vorlíček zu treffen. Ich wusste ja schon was kam, aber fragen mussten wir natürlich - weil ich mich nicht traute, machte Sven das für mich: ob wir wohl beim Interview in Prag dabei sein dürften? Wir würden auch nicht stören und ganz hinten in der letzten Ecke sitzen. Herr Förster besprach sich mit den anderen und erklärte uns dann in seiner netten Art, dass das leider nicht ginge. Wenn man mit Prominenten filme, dann müsse man immer angeben, wie viele und welche Leute dabei sein würden und daher könne man dann nicht einfach mit zwei Fans im Schlepptau auftauchen.
Das verstanden wir natürlich und wenn wir eins vermeiden wollten, dann, dass irgendwas wegen uns nicht klappte. So bedankten wir uns und verabschiedeten uns vom WDR. Die Filmleute waren auch jetzt - hungrig, durchgefroren und mit zwei Stunden Fahrt vor sich - noch supernett und lobten uns, dass alles so gut geklappt hätte. Wirklich angenehme, nette Menschen. Bewundernswert, wie sie alle so konzentriert arbeiten können mit so wenig im Magen.
Der WDR machte sich also auf gen Prag und Sven und ich fuhren zurück in unser Hotel, wo wir erst mal ca. 3000 kcal und ein paar Gläser von dem guten tschechischen Bier verdrückten und drei Stunden schliefen. Wir waren irgendwie fertig. Am nächsten Tag sahen wir uns die hübsche Kreisstadt Klatovy an und hielten auf dem Heimweg natürlich nochmal in Švihov - jetzt mit Wintermantel.
Auf der Autobahn erreichte uns dann gegen 18 Uhr eine SMS von Herrn Förster: Der Dreh sei gut verlaufen und überraschend sei um 12 Uhr Frau Šafránková in dem Café aufgetaucht!! Wir waren baff und freuten uns riesig. Jetzt hofften wir nur, dass sie auch etwas gesagt hatte, was man senden konnte und nicht nach 5 Minuten wieder gegangen war. Offenbar hatte letztlich Vorlíček sie überredet, doch mal vorbeizuschauen.
Für uns war der Dreh vorbei und wir wussten nicht, was dabei herauskommen würde und was noch alles geklappt oder nicht funktioniert hatte. Nun hieß es für uns warten bis zum 24. Dezember. Ausgerechnet am späten Nachmittag würde die Dokumentation mit dem passenden Titel "Wenn Märchen wahr werden" ausgestrahlt werden. Da die Weihnachtsrituale vor allem in meiner Familie recht festgefahren sind, war der Kommentar meiner Mutter vorhersehbar, als ich Ende November ankündigte, am Heilig-Nachmittag unbedingt stundenlang vor dem Fernseher sitzen zu müssen: "Den Baum schmückst du aber trotzdem, oder?!"
Der Baum wurde morgens fertig gemacht so dass ich nach dem Essen zu Svens Familie fahren und mit ihnen "Wir warten auf's Christkind" im WDR (natürlich) gucken konnte. Dort wurden auch Szenen von der Party gezeigt und immer wenn Sven ins Bild kam brüllte die gesamte Familie "da ist unser Junge!" - jetzt wissen die auch, was wir einmal im Jahr so treiben. Unsere Tanzlehrerin Mona brachte übrigens in dieser Sendung Katty Salié das Tanzen mit dem Märchenprinzen bei!
Während im Anschluss "Drei Haselnüsse für Aschenbrödel" lief, fuhren Sven und ich zu meinen Eltern (den Film hatten wir nämlich schonmal gesehen). Dort lief dann gleich nach 3hfa "unsere" Dokumentation, die natürlich meine komplette Familie mit anschauen wollte. Mit einem Klavierakkord ging es los, der Meister selbst saß am Flügel und mir lief der erste Schauer über den Rücken. Die ganze Zeit saßen wir Händchen haltend vor dem Fernseher und saugten jede Szene in uns auf. Das Konzept gefiel uns außerordentlich gut, die Sprecherin klang sympathisch und die Idee mit dem Schuh funktionierte hervorragend. Der Gruppenführer auf Schloss Moritzburg war klasse, Vorlíček supernett, von Svoboda wünschte ich mir eine CD mit Klaviervariationen über die Filmmusik, Frau Neff fanden wir lustig, die mit offenen Mündern 3hfa im Schlosskino schauenden Kinder süß, die liebe Frau Vitvárová zeigte ihren tollen Fundus und wir kamen auch ganz gut weg.
Und dann kam SIE: die Gottkönigin des tschechischen Märchenfilms, schön wie immer und ein Lächeln wie mit 19. Ich wäre in Anbetung auf den Teppich gesunken, wenn ich dann nicht die Augen vom Bildschirm hätte nehmen müssen. Der WDR hatte es mit Vorlíčeks Hilfe wirklich geschafft! Wahnsinn. Eine absolut traumhafte Dokumentation durch die für mich wirklich ein Märchen wahr geworden ist. Danke, WDR und danke, Herr Förster und Frau Jansen!
Übrigens: Wenn IHR Fans nicht so viele wärt und so ein großes Forum und so viel Nachfrage erzeugen würdet dann hätte ich auf die Erfüllung dieses Traums bis zum Sankt Nimmerleinstag warten können.
SUPER GEMACHT!