Es gibt die Original-Bänder noch
Lest den Text einer e-mail die mich am Abend des 29.9.02 erreichte - es ist der Wahnsinn!!
"Es war einmal in den Barrandov-Studios......
Vor einigen Jahren bin ich aufs Geratewohl und spontan nach Prag gefahren, sagen wir, aus einer Laune heraus. Zum Einen, weil mein Vater aus der Gegend dort stammt, zum Zweiten, weil ich mir
gerne mal die Barrandov-Studios anschauen wollte, und zum Dritten, weil ich mir folgendes in den Kopf gesetzt hatte: Wenn irgend möglich die Musik zu 'DHfA'
aufzutreiben.
Ich sammle seit vielen Jahren Filmmusiken, allerdings weder aus purem Hobby noch auch Sammlerleidenschaft an sich. Ich suche lediglich die Musiken zu den Filmen, die für mich ein echtes Erlebnis waren -und es auch beim zwanzigsten Mal noch immer sind. Und als kleiner Fernsehgucker in den weihnachtlichen Vorabenden der Siebziger Jahre war für mich "Drei Nüsse für Aschenbrödel" (das "Hasel" hat man sich in unseren Fernsehzeitschriften stets gespart) das filmische und emotionale Großereignis....und die wunderschöne Musik ein elementarer Bestandteil davon.
In Prag angekommen, wollte ich eigentlich mit meiner Freundin (und deren altersschwachen Hund) erstmal ein wenig auf Sight-Seeing Tour....was für eine schöne Stadt aber auch! Alte Gassen, stimmungsvolle kleine Kabuff-Cafès, aus denen tschechische Chansons drangen, sympathische Gespräche mit alten Prager Bewohnern, und eine spontan angebotene Privatunterkunft in einer Wohnung an der Moldau. Aber trotz Entspannung wurde ich schon am zweiten Tag zappelig und bin gleich nach dem Frühstück in die nächste Telefonzelle.
Erster Anruf: Studios Barrandov - es hat mich einen Vormittag Telefongespräche in wackligem Englisch und eine Tour durchs Prager Telefonbuch gekostet, bis ich mich schließlich - mit wechselnden, sich widersprechenden Informationen über den Verbleib der Musik zu '3HfA' bedacht (original, wie soll ein Freund mit was anderem glücklich werden...?) - zur Anwältin Karel Svobodas durchtelefoniert hab, die mir evtl. ein Treffen mit dem Komponisten in Aussicht stellte, und meinte, daß die Rechte und die Originalbänder nicht im Besitz Svobodas seien, sondern irgendwo in den Studios Barrandov lagern müssten.
Also sind wir nachmittags gleich auf gut Glück rausgefahren (Stadtplan ausgepackt, "ja lass uns doch einfach mal..."). Haupteingang schien uns keine gute Idee, also mal ein bischen drumrum in die Gegend. Ich hab dann dem fragenden Portier am klapprigen, verrosteten Tor des Seiteneingangs der 'Studios Barrandov' gesagt, ich wolle mir den Kostümfundus anschauen, ich hätte gehört, da gäb's Führungen (gab's nur mal kurz nach den Dreharbeiten zu 'Amadeus'), er hat mich reingelassen, uns den Weg zum Fundus beschrieben...und drin waren wir.
Meine Güte, was für ein herrliches, stimmungsvolles Gelände.....im Ernst, was für ein altes, etwas heruntergekommenes geniales Studio-Flair! Altes Gemäuer, an der Seite ein völlig verwildertes ehemaliges Hotel, in manchen Höfen verrostete Filmdosen... Ich war ganz baff...kaum einen Menschen gesehen auf den alten Wegen des (großen) Studiogeländes. Wir haben das Fundusgebäude gefunden, sind rein, Treppe hoch und geradewegs in einer Werkstatt gelandet, in der drei Männer gearbeitet haben, einer an einer Metallkrone (!), ein anderer an einem alten Polstersessel ...die Zeit schien hier wirklich stehengeblieben - im besten und sympatischsten Sinn. Die drei sahen auf, fragten was wir wollten, ich sagte: "Wir würden uns gerne den Fundus ansehen, wir kommen extra aus Deutschland, und sind große Fans der tschechischen Märchenfilme". Der eine meinte sowas wie "mmh, eigentlich gibt's hier keine Führungen..", hat sich dann mit den anderen verständigt, einen großen Schlüsselbund genommen, und gesagt: "OK, ich kann ihnen ein bißchen was zeigen..." Ich hab ihn direkt nach ein paar Filmen gefragt, er taute mehr und mehr auf, ich machte ein paar Fotos, und es wurde eine komplette Führung von 1 1/2 Stunden. Dabei hab ich diverse Filmutensilien wiedergesehen, darunter den Thron des Königs aus "Aschenbrödel", Requisiten aus "Amadeus" (u.a. den Schwanenhut), und die Original-Zaubermäntel aus "Die Märchenbraut".
Danach hab ich eine Weile nach dem 'Sound-Department' gesucht, und mich durchgefragt. Ein freundlicher Arbeiter in blauem Anton hat mich schließlich hingeführt. Ich stand in einem langen Gang mit dröhnend lauter Orchestermusik, eine Reihe von Tonstudios rechter Hand. Der äußerst freundliche 'blaue Anton' hat mich zu einem - wie sich rausstellte - Tontechniker geführt, der fragte mich was ich will, und ich sagte "I'm searching the music of this wonderful seventies-fairy-film with Libuse Safrankova..." "Ah, wait a minute-... you mean 'Tri Orisky Pro Popelku'?
Zum ersten Mal hörte ich den tschechischen Titel... unverkennbar der richtige Film.. "Yes! Exactly!" Ich wollte mir schnell einen nächsten, möglichst guten Satz überlegen, um nicht gleich wieder rausgeschickt zu werden, da sagte er "come with me", führte mich zu einem Büro auf dem 'Chief of Sound Department' stand, und ein Name, den ich leider vergessen habe mir zu merken. Supernobles Büro, großer Glastisch, zwei Handys darauf. Zweimaliges, kräftiges Schlucken meinerseits, und die Erwartung, daß hier Endstation ist, und endgültig die Frage kommt "Was suchen sie eigentlich hier? Und was fällt ihnen überhaupt ein, hier einfach reinzuschneien!?" Denn bei jedem, der mir innerhalb des Studiogeländes weitergeholfen hatte, hatte ich das Gefühl, für einen Angestellten der Studios gehalten zu werden, einen Produzenten, oder zumindest irgendjemanden, der professionelle Gründe und Anrecht hatte, sich hier aufzuhalten. In den Münchner 'Geiselgasteig'-Studios wäre ich bereits am ersten Aushilfs-Aufpasser gescheitert.
Der 'Chief' fragte mich, was ich wolle, ich wiederholte mein Sätzchen, und er - hängte sich ohne weitere Fragen ans Handy. Im Endeffekt, hat er mit ungefähr 10 Leuten telefoniert, seinen Assistenten dazugeholt (der auch ans Handy...) und jedesmal haben sie mir nach kurzem Gespräch das Handy hingehalten, ich sagte mein Sätzchen (mittlerweile in brüchigem Tschechisch) und jedesmal ging es darum, wo die Bänder mit den Original-Aufnahmen seien, und keiner wußte es wirklich..... Die einen meinten, irgendwo in Prag, einige meinten, bei Supraphon (weil die die Rechte hätten), und manche (ua. ein Agent von Supraphon, den ich zwischendurch am Handy hatte) meinten, die Bänder müssten irgenwo hier auf dem Studiogelände sein. Schließlich: unschlüssiges Schweigen, besonders bei mir, denn die Situation wurde immer unwirklicher. Die Leute ware ungebrochen freundlich, wir standen mittlerweile schon zu fünft in dem Büro, und ich hatte schon tüchtig heiße Ohren.
Die Zeit ging dahin und noch immer hatte mich niemand gefragt, wer ich eigentlich sei, und mit welchem Recht ich hier so einen Wirbel verursachte. Außerdem wußte ich nun auch nichts mehr zu sagen außer - zunehmend unsicher - "The Music's got to be somewhere..." Schließlich sagte einer zögernd was zum Chef des Sound-Departments, der machte eine Weile "mhh...." und sagte zu mir: "He says there's two young ladies...he thinks, he remembers that they were involved in the music thing...." Er überlegte eine weile, ging zum Handy, wählte eine Nummer, sprach eine weitere Weile, wählte erneut, ich verstand "tri orisky..", er wartete, und sagte schließlich: "Ok., we have it..."
Es gibt sie also!
Dann gings ziemlich schnell, der Assistent führte mich durchs halbe Gelände hinüber ins Hauptgebäude (dessen Konturen das Emblem von 'Barrandov' bilden), schließlich in ein kleines Büro. Dort saß eine korrekte Bürodame wie aus dem Bilderbuch und hatte in der einen Hand ein Karteikästchen, und in der anderen ein abgefatztes Karteikärtchen auf dem stand "Tri Orisky Pro Popelku" ..hudba...Karel Svoboda. Und mir war klar, ich bin endlich da wo ich hin wollte... das 'Original Production Master Tape' ....die kompletten Einspielungen aller Musikstücke!
Ich wurde gefragt "How do you want the music?"
"Uh, what do you mean, 'how'?"
"Would you prefer DAT-Tape?"
"Oh yes, DAT would be fantastic!"
Der 'Chef' erschien, legte mir ein paar tschechische - oder englische (wer könnte sich das in dieser Situation merken?) Papiere zur Unterschrift vor, teilte mir die Höhe der zu zahlenden Studiokosten mit, und dann kam sie, die Frage "Who are you? For what do you need the music?"
O je..meine Güte....Schittyschittyscheiße...- Grad jetzt!
Schnell überlegen...., eine Geschichte auftischen und ernstgenommen werden, oder der ehrliche Nobody sein ...und rausfliegen. Ich hab mit einer Freiburger Produktionsfirma schon gearbeitet, da liesse sich was basteln... "Sorry to bother you so much" begann ich, um Fassung bemüht, " but I'm just a great, great fan of the old czechoslovakian fairy films and especially of 'Tri Orisky Pro Popelku', I'm no producer or something, I just came here privatly, to look for the music....you cannot imagine, how some people in Germany love it.." Er lächelte und meinte "OK, otherwise I couln't give it to you."
Ich kam den anderen Tag wieder, mit 3.800 tschechischen Kronen, und mir wurde versichert, daß das Band umgehend auf den Postweg nach Deutschland ginge...
So geschehen am 28. 3. 1997 (jetzt mußte ich auf der alten Quittung nachsehen). Und ich kam zu Hause an, und der gepolsterte Umschlag mit der DAT-Kassette war in meinem Briefkasten..... "